Laptop und Notizblock auf Schreibtisch

„Es ist wichtig, dass wir zusammen sind“


Am Anfang stand die Wiedersehensfreude. Die erste Wiedersehensfreude nach über zwei Jahren Coronazwangspause war ausgiebig und ungetrübt, als städtische Vertreter und Partnerschaftsvereine aus Valverde del Camino, Estaires, Wieluń und Ochtrup vergangene Woche zu ihrer Europäischen Woche in Frankreich zusammenfanden, als die internationalen Gäste mit der gewohnten Herzlichkeit in ihren teils schon ganz vertrauten französischen Gastfamilien aufgenommen wurden.

Dass dennoch ein Schatten über dem (sonst) jährlichen Treffen lag, war diesmal nicht der Pandemie geschuldet. Er hat mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine zu tun, der, wie sich alle vier Städtepartner einig waren, einen ungeheuerlichen Völkerrechtsbruch bedeutet und die europäische Friedensordnung in ihren Grundfesten erschüttert.
Dass gerade der polnische Partnerkreis Wieluń davon hautnah betroffen ist, verwundert kaum.
Vier ukrainische Flüchtlinge im Alter von 16-19 Jahren, die die polnische Delegation zum Treffen begleitet hatten, gaben im Plenum eine bewegende Präsentation darüber.
In Wieluń seien sie dankbar für die wiedergefundene Sicherheit, aber auch tieftraurig, weil sie ihre zerstörte Heimat, ihre Zukunftspläne, teilweise sogar ihre eigenen Angehörigen zurücklassen mussten.

„Der Krieg geht in ihren Köpfen immer weiter“, erklärte Zenon Kołodziej, Wieluńs Fachbereichsleiter für Bildung und Kultur. Einerseits sei es für sie wichtig, Beziehungen zur Ukraine aufrechtzuerhalten. Andererseits stelle das auch eine andauernde Retraumatisierung für sie dar. „Wir müssen gemeinsam den geflüchteten Kindern und Jugendlichen etwas zum Ausgleich bieten, das sie entlastet und ihnen den ständigen Druck nimmt“, war sein eindringlicher Appell.

Gleich am nächsten Tag fand der Gedanke in einem Workshop über die zukünftigen Projekte der Partnerstädte seinen Niederschlag. Jugendbegegnungen, Sportturniere – wie es sie auch schon gab - und Sommercamps sollen in Zukunft den Fokus verstärkt auf gemeinsame Freizeitgestaltung, auf Spiel und Spaß für die Jugendlichen legen. Vielleicht könne man hier und da die ukrainischen Jugendlichen gezielt ansprechen und miteinbeziehen, so der Gedanke.

Die Vertreter des Freundeskreises Städtepartnerschaften Ochtrup e.V. (FSO) informierten sich bei diesem Arbeitstreffen noch einmal über Hilfsgüter, zum Beispiel bei Unterrichtsmaterialien, die mit dem Schulbeginn in Polen fällig werden könnten.

„Hier warten wir auf konkrete Anfragen aus Wieluń, damit wir weiterhin passgenau helfen können“, sagte der erste Vorsitzende Markus Konermann.
Er erläuterte auch noch einmal die Organisation des Ochtruper Vereins mit seinen individuellen Ansprechpartnerinnen für jede der drei Partnerstädte, die im besten Falle auch ihrerseits ein konkretes Pendant in der jeweiligen Partnerstadt hätten. So könnten die Fäden der verschiedenen Begegnungen besser verknüpft werden.

Ablenkung von den schweren Themen, um die Schatten des Krieges (auch) über der Europäischen Woche nicht zu groß werden zu lassen, gab es natürlich bei diesem Treffen immer wieder. Musik und Tanz waren dafür vielleicht das beste Mittel an den Gemeinschaftsabenden. Ein „europäisches Dorf“ im Stadtpark von Estaires mit regionaltypischen Produkten der Partnerstädte, jede Menge interessanter Besichtigungen und – natürlich – das gemeinsame, gute französische Essen gehörten dazu.
Ein Ausflug nach Brüssel mit Besuch im Europäischen Parlament und einer Ausstellung über die wechselvollen Geschichte der EU führte einmal mehr vor Augen, was eine junge polnische Deutschlehrerin und Übersetzerin vor dem Plenum in einfachen, treffenden  Worten zusammenfasste: „Es ist wichtig, dass wir zusammen sind.“

Der neue Verantwortliche der Stadt Ochtrup für Städtepartnerschaften: Fachbereichsleiter Holger Brüggemann nimmt ein Willkommensgeschenk der französischen Beigeordneten Dorothée Bertrand entgegen. (Links daneben: FSO-Vorsitzender Markus Konermann und der Vorsitzende des spanischen Partnerschaftsvereins Ildefonso Romero.)


Bewegender Abschied vom ehemaligen Fachbereichsleiter Michael Alfert, der vor seinem Ruhestand verantwortlich für die Städtepartnerschaften in der Stadt Ochtrup war.


Im Rahmen der europäischen Woche wurde die Partnerschaft zwischen Estaires und Wielun besiegelt. (Im Bild: Bürgermeister Bruno Ficheux aus Estaires, der Wieluner Landrat Marek Kieler und die Beigeordnete Dorothée Bertrand.)


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